[home]   [termine]   [news]   [geschichte]   [fantasie]   [sponsoren]   [kontakt]
 


 

BRÜSSOWER MINIATUREN

Seite 4 von 4

Zeugnisse der frühen Stadt ...

von Jens Schneeweiß - April 2006

Im Zusammenhang mit der Befestigung der Stadt Anfang des 14. Jahrhunderts scheint auch eine Umstrukturierung verbunden gewesen zu sein, denn sowohl die Gerbgrube als auch die Holzrinnen kamen nun außer Gebrauch. Die heute im Südteil von Brüssow noch rudimentär erhaltene Stadtmauer aus Feldsteinen war im Bereich des Stettiner Tores nur recht flach gegründet worden, wobei offenbar kein Mörtel Verwendung fand. Dafür wies sie die beachtliche Mächtigkeit von 6 m an der Basis auf. Aufgrund des nur kleinen Ausschnittes im Straßenplanum muß daher damit gerechnet werden, daß die Mauer hier einen Knick machte oder einen Vorsprung aufwies. Nicht auszuschließen ist, daß es sich um die Fundamentreste des turmartigen Stettiner Torgebäudes handelt, wie es auf dem ältesten Stadtplan von 1696 (Abb. 6) eingezeichnet ist, wenngleich hierfür eine deutlich tiefere Fundamentierung zu erwarten wäre.

Ausschnitt aus dem Plan der Feldmark Brüssow von L. Redderströhm aus dem Jahre 1696. Foto: Huth

Sicher zur Stettiner Toranlage gehören nordöstlich anschließende Fundamentreste in Form eines 1 m dicken Zweischalenfeldsteinmauerwerks, das ursprünglich zu einer Brücke gehört hatte, da es in den Stadtgraben hineingebaut war. Während Wall und (Doppel-)Graben um die Stadt noch lange erhalten blieben, wurde der Graben im direkten Torbereich recht bald verfüllt, wahrscheinlich nach der Verheerung der Stadt um 1470. Die via regia von Prenzlau war nach wie vor die wichtigste Landverbindung nach Stettin, Brüssow aber lag weitgehend wüst und hatte seine Kontrollfunktion verloren, die teilweise zerstörten Befestigungsanlagen hatten ihren Sinn eingebüßt. Es war offenbar die naheliegendste Lösung, eine ehemalige Brücke durch einen Erddamm zu ersetzen.

Nicht ganz eindeutig in ihrer Zeitstellung sind ein Feldsteinkeller und großflächig nachgewiesenes Rollsteinpflaster. Am wahrscheinlichsten ist ihre Anlage, insbesondere des Kellers, im 14./15. Jahrhundert, also noch vor der Verheerung von Brüssow 1470. Der Keller liegt unter der heutigen Straße und belegt somit eine seinerzeit gänzlich andere Wegeführung. Ein Großteil der im Rahmen der Baubegleitung geborgenen Knochenfunde zeigt Bearbeitungsspuren, eindeutige Werkabfälle oder Geräte bleiben allerdings die Ausnahme. Hervorzuheben sind lediglich zwei Kämme. Aus dem Rollsteinpflaster wurde ein zweizeiliger Einlagenkamm geborgen (Abb. 7 rechts). Schwachen Abglanz des einstigen frühstädtischen Charakters von Brüssow bietet ein Langzinken- oder Steilkamm, der sich in der Verfüllung einer mittelalterlichen Entwässerungsrinne fand (Abb. 7 links).


Mittelalterlicher Langzinkenkamm (13./14. Jh.) und zweizeiliger Einlagenkamm (14./15. Jh.?) Fotos: J. Schneeweiß

Solche Kämme wurden bei aufwendigen Frisuren zum Hochstecken der Haare verwandt. Sie werden relativ häufig in Burgarealen und Städten gefunden, während sie im ländlich-dörflichen Bereich nahezu fehlen. Auch ihr zeitliches Vorkommen bleibt auf das 12.-14. Jahrhundert begrenzt. Die Spärlichkeit der Funde und Befunde aus der Folgezeit bis zum 18./19. Jahrhundert verwundert angesichts des vollkommenen Niedergangs des Städtchens nicht. Auf einen gesteigerten Hang zum Aberglauben in Krisenzeiten könnte eine Hundeniederlegung unter der Ecke des Feldsteinfundamentes eines Hauses hinweisen, die wahrscheinlich aus dem 14./15. Jahrhundert stammt. Eine Interpretation des Befundes als Bauopfer ist denkbar, jedoch letztlich nicht zu beweisen, da der aufgeschlossene Ausschnitt leider zu klein war, um den Zusammenhang mit dem Hausbau zweifelsfrei klären zu können.

_________________________________________________

Literatur
E. Gringmuth-Dallmer, Wendepflug und Planstadt? Forschungsprobleme der hochmittelalterlichen Ostsiedlung, In: Siedlungsforschung. Archäologie – Geschichte – Geographie 20, 2002, S. 239-255.
E. Kirsch, Die Keramik vom 13. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts in Berlin/Brandenburg (Berlin 1994).

Quelle: Jens Schneeweiß, Verwüstet und wieder aufgelebt. Zeugnisse der frühen Stadt unter der Ortsdurchfahrt in Brüssow, Lkr. Uckermark, in: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2004 (Theiss-Verlag Stuttgart 2005) S. 112-116.

zurücknach obenweiter im Text