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BRÜSSOWER MINIATUREN

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Alles für den guten Klang

Schalltöpfe in der Brüssower Kirche St. Sophia

Von Eginhard Dräger

Die östlich der Randow stehende Kirche von Glasow übertrifft zwar nicht die üblichen Dimensionen ländlicher Gotteshäuser, trägt aber den besonderen Charakter einer Taufkirche. Hier wurden erst 1995 bei Renovierungsarbeiten drei unmittelbar unter der flachen Balkendecke im Mauerwerk liegendes in neuerer Zeit überputzte graue Tongefäße mit kugeligen Böden, sogenannte Bombentöpfe, gefunden. Leider brach man sie leichtfertig aus dem Gemäuer heraus, so dass spezielle Untersuchungen dort nicht mehr möglich sind.

In Schmölln sieht man vier sowohl wenig gegliederte als auch kannenförmige Bombentöpfe auf einer Bogenlinie in die Innenfläche, des Chorgiebels eingefügt. Eine einzelne Kanne liegt ihnen gegenüber fast genau in der Mitte des später mit einem Durchgang versehenen Ostgiebels des Langhauses. Da die Deckenschalung des Chores ursprünglich wie ein Gewölbe hoch in den Dachstuhl hinaufreichte, lagen alle Gefäßmündungen frei im Raum. Sie konnten also durch Stimmen und Instrumente hervorgerufene Schallwellen dämpfend oder klärend aufnehmen. Überdies scheint in der Südostecke des Chores ein über einer Rednerbühne (Ambo) hängender Baldachin zur Klangformung beigetragen zu haben.


Schalltöpfe im Brüssower Kirchgiebel

Der ungegliederte rechteckige Baukörper der Brüssower Kirche besaß eine ganz gleiche hohe, den Kehlbalken des Dachstuhls erreichende Deckenschalung wie der vom Langhaus abgesetzte Chorraum in Schmölln. In die zum Innenraum zählende untere Hälfte des Ostgiebels wurden auf einer fast waagerechten Linie fünf oder vielleicht auch sechs Bombentöpfe weitgehend gleicher Machart eingebettet. Sie besitzen anders als die von Schmölln eine gedrungene weitbauchige Form mit niedrigem flach geriefeltem Hals und ausladender, innen gekehlter Randlippe. Ihre Höhe beträgt bei einem Bauchdurchmesser von rd. 20 cm etwa 22 cm. Die Farbe der klingend hart gebrannten Gefäße variiert durch den verwendeten unterschiedlich fetten blauen Ton und eine damals allgemein bevorzugte Brenntechnik, das "Schmauchen", zwischen hellem Grau und dunklem Blaugrau. Wegen der Langlebigkeit dieser für das späte Mittelalter typischen als frühdeutsch bezeichneten Keramik ist eine sehr genaue Datierung einzelner Exemplare leider nicht möglich. In Verbindung mit bauhistorischen Merkmalen ist jedoch als Zeitpunkt der Anfertigung der hier verwendeten Gefäße etwa die Mitte der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich. Mithin wurden sie wohl schon bald nach der Erhebung der Siedlung Borsow oder Brossow zur Stadt als Schalltöpfe in Gebrauch genommen.


Form der Brüssower Schalltöpfe

Hin und wieder wird die Deutung der bisher nur an sehr wenigen Orten im Mauerwerk von Kirchen entdeckten unscheinbaren ein geringes Volumen aufweisenden Tongefäße als Hilfsmittel zur Lösung akustischer Probleme in Zweifel gezogen und beispielsweise daran gedacht, dass uns unbekanntes untergegangenes naives Brauchtum Gründe zu der sorgfältigen, jedermann sichtbaren Einbettung von Töpfen in Kirchenwände geliefert haben kann. Das Wissen um den Wert von Hohlkörpern verschiedenster Art zur Beeinflussung der Akustik in weiträumigen Gebäuden wurzelt jedoch nachweislich tief im Altertum und wurde für die christlich geprägte Baukunst direkt aus der Antike übernommen.

Vor allem in Brüssow können neben den Töpfen mehr noch als in Schmölln auch darunter ausgesparte tiefe Mauerlöcher für Traghölzer auf wohlbedachtes Bemühen hindeuten, das rituelle Geschehen im Altarraum durch besondere Einrichtungen zu unterstützen. Möglicherweise wurden hier eine Epistelbühne an der Südseite des Altars und eine wie üblich größere Evangelienbühne an der Nordseite mit Schalldeckeln oder Baldachinen ausgestattet, die im Verein mit den störenden Widerhall dämpfenden Schalltöpfen das gesprochene Wort und Gesänge weithin im Raum gut hörbar und verständlich machten. Trotz ihrer Unscheinbarkeit sind die Brüssower Gefäße jedenfalls seltene und sehr beachtenswerte Relikte aus der Frühzeit der kleinen Stadt.

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Literatur:
E. Dräger: Frühdeutsche Schalltöpfe in mittelalterlichen Kirchen zu Brüssow (Kr. Pasewalk.) und Schmölln (Kr. Prenzlau). Mitteilungen des Bezirksfachausschusses für Ur- und Frühgeschichte Neubrandenburg 259 19-189 S. 36-42.
C. M. Schirren: Drei eingemauerte Bombentöpfe aus der Kirche zu Glasow, Kreis Uecker-Randow. Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern Band 3, 19969 S.52 – 57

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