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BRÜSSOWER MINIATUREN

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August von Mackensen (1849-1945)

von Rochus Stordeur - Januar 2006

In der Erinnerung vieler Brüssower kommt Hitler mehrfach nach Brüssow, nachweisen lässt sich aber nur dieser eine Besuch, stattdessen wird wohl in der Erinnerung die häufige Anwesenheit hoher und höchster Nazi-Prominenz stellvertretend mit dem ‚Führer‘ verwechselt. Von Mackensen findet überschwängliche Worte für den ‚Führer‘. Das hindert ihn aber nicht, an seinen Zweifeln in Bezug auf die Notwendigkeit von Kirche und Frömmigkeit festzuhalten. General Joachim von Stülpnagel, den Gutsnachbarn in Grünberg, fragte er bei der Trauerfeier für den Kronprinzensohn, warum er nicht im Krieg sei. Darauf sagte von Stülpnagel: „Ich bin ganz gesund, aber die Partei mag mich nicht.“ Von Mackensen soll geantwortet haben: “Dann kann ich Ihnen ja nur von Herzen gratulieren!“(1) Diese Reserviertheit wird unterstützt durch zahlreiche Vorfälle und Bittgesuche, die den greisen Unterstützer Hitlers erreichen. Dafür nur drei Beispiele. Nach dem 20. Juli 1944 wendet sich eine andere Gutsnachbarin, Johanna von Ramin, an Mackensen, um ihrem Sohn Barnim von Ramin zu helfen. Da versteht der Feldmarschall die Welt schon nicht mehr.(2) Für Mackensen ist es unvorstellbar, dass jemand wie die Ramins überhaupt Probleme mit der Regierung haben könnten. Als seine Tochter, die als Gemeindeschwester arbeitet und der Bekennenden Kirche nahesteht, von der GESTAPO verhört wird, kann er zu ihren Gunsten Einspruch erheben. 1942 wird in Stettin eine ganze Abiturklasse verhaftet, zwei Söhne von Pfarrern der Bekennenden Kirche verbleiben in Haft und können nur durch Einspruch von Mackensens und durch ihre Freiwilligenmeldung zur Front befreit werden. Sie hatten illegal nachgedruckte Predigten des Bischofs von Münster, Graf von Galen, verteilt. Der sogenannte ‚Möldersbrief‘ wurde gar durch Frau Leonie von Mackensen verteilt, unter anderem an den Pfarrer von Brüssow, Albrecht Schönherr, der daraufhin eine Anzeige erhielt, die sofort zurückgezogen wurde, als er seine Quelle nannte. Mölders war ein gefeierter und hochdekorierter Flieger, nach dessen Absturz ein (vom englischen Geheimdienst gefälschter) Brief kursierte, indem er sich vom Nationalsozialismus distanzierte und zum Katholizismus bekannte.

Ganz gemäss seiner ‚Dreieinigkeit‘ – Staat, Kirche, Militär -, die er ja mit vielen seiner Kaste teilte, ist sein Wirken in Brüssow eher positiv zu bewerten. Seine Staatstreue hielt bis zum letzten Tag seines Lebens. Seine Diener und Angestellten tragen Wehrmachtsuniform, müssen aber nicht in den Krieg. Im nahen Falkenwalde (bei Stettin) unterhält er eine Dienststelle (Adjudantur), die aber vor allem mit der Organisation seiner repräsentativen Termine und mit der Beantwortung der vielen Bittschriften beschäftigt ist. Als Gutsherr kümmert er sich um den Park zwischen dem Großen und dem Kleinen Brüssower See. Vor allem aber fühlt er sich für die Kirche zuständig. Sie wird restauriert, der Barockaltar kommt wieder nach Brüssow zurück und die Kirche erhält eine neue Orgel.

Die Kinder müssen, wenn sie ihm begegnen, die Mützen ziehen und laut rufen: ‚Guten Tag, Herr Generalfeldmarschall!‘. Das mag man heute als erniedrigend empfinden, aber man darf auch nicht vergessen, dass er sich wie ein wirklicher Patron um die Menschen gekümmert hat, bis hin zum patriarchalischen Sponsoring. Schon aufgrund seines biblischen Alters, aber auch wegen seiner eigenartigen Stellung zu Hitler ist er sicher sehr widersprüchlich gewesen. Aber gerade deshalb sollte man keine seiner Seiten überbetonen, und dafür ist die Zeit wohl nun gekommen.

Mackensen stirbt nach seiner Flucht aus Brüssow, für die ihm Hitler einen Omnibus zur Verfügung stellt, heimat- und mittellos in Celle im 96. Lebensjahr. Damit teilt er das Schicksal von Millionen anderen Menschen, aber mit ihm stirbt eine Epoche endlich und endgültig.

(1) Joachim von STÜLPNAGEL, 75 Jahre meines Lebens, Oberaudorf 1960, S. 376
(2) SCHWARZMÜLLER, Mackensen, Paderborn 1995, S. 396
Fotos auf dieser Seite Archiv Glowe
(c) Rochus Stordeur

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