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12.08.2006

Brüssower Lehrer

Von Schülern freudig aufgenommen

Von Walter Wiemer

Uckermark. In der Winterfeldtstraße in Prenzlau wohnte 1946 Karl Szostak, Schulrat des Kreises. In seiner Wohnung, die ihm auch als Büro diente, empfing er neben allen anderen, die den Schulrat zu sprechen wünschten, Absolventen der Institute für Lehrerbildung (IfL) Eberswalde und Bernau. Es war in den letzten Augusttagen 1946, als Hans-Joachim Köhler und Günter Rußack beim Schulrat anklopften, um die Einweisung für den ersten Dienstort nach bestandener Prüfung für den 1. September 1946 ausgehändigt zu bekommen.

„Geht in die Uckermark, da ist noch niemand verhungert“ hatte ihnen ihr Deutschlehrer, Herr Schröck, der bis 1933 Schulrat im Kreis Prenzlau war – dann von den faschistischen Behörden für geraume Zeit des Amtes enthoben – diese Worte beim Gespräch zur künftigen Dienstaufnahme als Lehrer auf den Weg gegeben. Hans-Joachim Köhler war an die Dorfschule in Trampe, Günter Rußack an die Stadtschule – die es aber als Schulhaus wegen Kriegszerstörung gar nicht gab – vermittelt worden. Noch nicht 18-jährig ( Köhler am 19. 10. 1928, Rußack am 02. 11 1928 geb. ) standen beide vor einer großen Kinderschar als Jung- beziehungsweise Neulehrer vor erwartungsvollen Schülern. Köhler, in Stettin geboren, in Finowfurt, in Hohenholz und in Eberswalde die Kindheit erlebt – nun war er Lehrer aller Kinder der Schuljahrgänge l bis 8 in allen Fächern und zugleich auch Schulleiter in Trampe. Von den Dorfbewohnern und vor allem von den Schülern freudig und dankbar aufgenommen, unterrichtete er im Klassenraum des

schönen Schulhauses bis zum Jahresende 1955. 1949 im Oktober, der Neulehrer war nun einundzwanzig, also erwachsen und mündig, heirate er, und die junge Familie erweiterte sich recht schnell. G. Lemke, ein ehemaliger Schüler, erinnert sich an seinen Lehrer in Trampe, der auch in der Aktion „Frohe Ferientage für alle Kinder“ erlebnisreiche Ferientage zu organisieren verstand. Zum Jahresende 1955 verließ der Bagemühler Lehrer mit seiner Familie unter fadenscheinigen Gründen seine Schüler und „floh ins Wirtschaftswunderland“. So kamen Köhlers nach Bagemühl, und der nun schon 27-jährige erfahrene Lehrer arbeitete im Verbund mit den Kollegen der Nachbarschulen bis schließlich 1967 in Grünberg ein „Unterstufenkombinat“ mit über 100 Schülern und vier Lehrern aus fünf Dörfern geschaffen wurde. 1974, die Straßenverhältnisse hatten sich durch den Ausbau des „Brüssower Rings“ so gestaltet, wie wir ihn noch heute erleben, kamen auch die Kinder der Unterstufe aus Grünberg mit ihren Lehrern zur

„Hermann-Matern-Oberschule“ nach Brüssow.

Inzwischen 46-jährig hatte Köhler sich im großen Kollegium mit vierzig Lehrern einzugewöhnen, was gewiss nicht immer leicht war. In den Fächern Mathematik, Erdkunde, Schulgartenunterricht und im Bereich Polytechnik erfüllte er mit Umsicht und pädagogischem Einfühlungsvermögen, besonders auch im Umgang mit Schülern der oberen Klassen, seinen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Sein Wirken als Volksvertreter und späterer Organisator in der Gruppe der Volkssolidarität erleichterten ihm auch nach dem Ausscheiden aus dem Schuldienst 1990 nach 44 Berufsjahren den Übergang als Rentner.

Günter Rußack hatte in Berlin das Licht der Welt erblickt, dort auch Kindheit und Schulzeit verlebt. Aus der Lehre als Technischer Zeichner riss ihn das Kriegsgeschehen heraus. Einberufung zum RAD (Reichsarbeitsdienst) als noch Sechzehnjähriger und kurzfristiger Fronteinsatz mit einer Verwundung in den letzten Kriegswochen waren die Jugendjahre des Großstädters. Am 29. August 1946 vermerkt der Brüssower Schulchronist: „Durch die Überweisung von 3 neuen Lehrkräften, Teilnehmer an Achtmonatslehrgängen, wird das Kollegium nun acht Köpfe stark sein. Jedoch ist es noch zweifelhaft, ob einer der Neulehrer ,Herr Heller, an unserer Schule arbeiten wird. Die beiden anderen, Herr Rußack und Herr Schleiff, haben sich schon vorgestellt“. Unter den Vermerken für den Monat Oktober 1946 zu lesen: „Bei der Schuljahresanfangsfeier am 2. Sept. konnten die beiden Neulehrer, Herr Rußack und Herr Schleiff, eingeführt werden. Der Unterzeichnete verpflichtete die beiden jungen Kollegen nicht nur auf die

selbstverständliche Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten, sondern darüber hinaus auch auf eine ganz zweifelsfreie Haltung im Kampf gegen Reaktion und getarnten Faschismus. Die beiden Neulehrer verrichten ihre Arbeit bisher so erfreulich gut, wie man das von 17-jährigen jungen Leuten nur erwarten kann. Sie haben auch gute Manieren und sind in jeder Beziehung arbeitswillig“.

Günter Rußack hat oft unter schmunzelndem Lächeln erzählt, dass er zwar als Lehrer vor Schülern stehen konnte, aber ihm bis November 1946 die Raucherkarte vorenthalten wurde. Acht Lehrkräfte hatten mitunter bis zu 400 Schüler zu unterrichten. Einige Klassenräume waren im alten Schulhaus, (erbaut 1769 und bis 1910 als Schule genutzt) unmittelbar neben der Kirche für den Schulbetrieb 1945 hergerichtet worden. Zweischichtig wurde unterrichtet, bis am 8. Mai 1947 das Gutshaus durch den sowjetischen Kommandanten J. T. Schesterow den Kindern und Lehrern als Ersatz für das ausgebrannte Schulhaus in der Prenzlauer Straße übergeben wurde. Hier hat Rußack bis 1991 Generationen von Schülern sowohl als Direktor, aber Jahrzehnte als Fachlehrer für Geographie, (Fernstudium in der zweiten Matrikel) Astronomie, Technisches Zeichnen, Geschichte, Deutsch und auch Kunsterziehung aufs Leben vorbereitet. Fast zwei Jahre, 1961 bis 1963, war er mit Berufsverbot belegt worden. Als Vorsitzender des

Ortsausschusses für Jugendweihe organisierte er mit und für die Jugendweihlinge und deren Eltern festliche Höhepunkte. Exkursionen zu den Mahn -und Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück dienten den antifaschistischen Grundsätzen. Als Gewerkschaftsvertrauensmann war er in alle Entscheidungen, die den Schulalltag prägten, einbezogen. Von 1972 bis 1989 organisierte er den in den Sommerferien zweiwöchige Aufenthalte polnischer Kinder aus dem Bereich Pila. Als Stadtreporter Fritz informierte er kritisch und umfangreich die Bevölkerung im Schulbereich über alle Vorkommnisse, so, wie wir es auch bis heute von ihm erleben. Auch das kulturelle Leben erfuhr durch ihn als Kuturbundmitglied viele Impulse. Seine Handschrift war bei der 700 - Jahrfeier 1959 und bei der 725-Jahrfeier 1984 deutlich erkennbar.

Mit der Verdienstmedaille und der Beförderung zum Oberlehrer in den achtziger Jahren wurde sein berufliches und gesellschaftliches Engagement geehrt. Wie weitere ältere Kollegen der Schule ging er, der eigentlich immer noch ein Urberliner geblieben war, 1991 nach 45 Dienstjahren in dem kleinen uckermärkischen Städtchen in den Vorruhestand. Beiden, Hans-Joachim Köhler und Günter Rußack, seien noch Jahre rüstigen Rentnerlebens gewünscht.

Quelle: Prenzlauer Zeitung

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Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier.