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09.09.2006

Prozess um den Tod von Ralf G.

Reue gezeigt: Mildes Urteil für Angeklagte

Neuruppin (DS). Erleichtert wirkte die 20-jährige Marie H. aus Prenzlau nach der Verkündung des Urteils gestern: zwei Jahre Jugendstrafe, zur Bewährung ausgesetzt. Damit entsprach die zweite große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Gestern hatte Marie H. ihr Schweigen gebrochen und geschildert, was in der Nacht des 13. Februar vergangenen Jahres passiert war. Bei einer Party in ihrer Wohnung hatte eine Freundin von ihr dem bereits wegen Totschlags zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilten André B. einen Korb gegeben. Darüber frustriert, nahm der zwei Gummiknüppel in der Absicht, an irgend jemandem seine Wut auszulassen. Seine Wahl fiel auf Ralf G., der angeblich über andere Leute herzog. Er wolle dem „eins in die Fresse hauen“, hatte er für alle hörbar gesagt.

Marie H. begleitete ihn, obwohl sie wusste, was André B. vorhatte. Mit ihrer Anwesenheit bestärkte sie ihn in seinem Vorhaben, auch wenn sie selbst nicht handgreiflich wurde, wertete die Kammer ihre Tat als Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung. Sie war nach Auffassung des Gerichts damit einverstanden, dass Ralf G. verprügelt werden sollte. Marie H. folgte André B. in die Wohnung des späteren Opfers. Sie hörte Schläge, einen Hilferuf und ein Röcheln. „Ich bekam Schiss und haute ab“, hatte sie vor Gericht ausgesagt. Aus Angst davor, wie sich das Geschehen weiterentwickeln würde und dass das Jugendamt ihr ihr Kind wegnehmen könnte. 20 Minuten wartete sie in der Nähe des Tatortes, bis André B. herauskam und sagte: „Wenn der das mal überlebt.“ Spätestens hier musste Marie davon ausgehen, dass Ralf G. lebensgefährlich verletzt war. „Da hätten alle Alarmglocken klingeln müssen“, sagte der Staatsanwalt. „Sie war verpflichtet, Hilfe zu holen, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und

zu hoffen, dass es schon gut geht“, so die Vorsitzende Richterin Ria Becher.

„Ich hätte noch etwas für Ralf G. tun können“, flüsterte die Angeklagte gestern unter Tränen. Der Getötete sei während der zehn Jahre, die er in Brüssow lebte, wie ein Vater für sie gewesen, auch wenn sie immer mal wieder Krach gehabt hätten, so wie vor der Tat. Nach Aussage des Rechtsmediziners hätte Marie H. dem Opfer nicht mehr helfen können. Als André B. dessen Wohnung verließ, war Ralf G. entweder schon tot oder aber lag im Sterben. Letztendlich starb er nicht an den Schlägen, sondern er wurde von André B. erwürgt. „Das Urteil ist sehr milde bemessen, weil die Angeklagte vor Gericht einen guten Eindruck hinterlassen hat“, sagte Richterin Becher. Marie H. habe erkennbare Reue gezeigt. Dies hatte ihr auch der Staatsanwalt zu gute gehalten: „Ich habe selten eine Angeklagte erlebt, der es so nahe geht, den Tod eines Menschen mitverschuldet zu haben.“ Ebenso spreche für sie, dass sie ihr Leben geändert habe. Im Jugendrecht steht nicht die Strafe sondern der Erziehungsgedanke im

Vordergrund, wie man den Straftäter wieder auf den richtigen Weg bringt. „Dafür hat Marie H. schon selbst viel getan“, so die Vorsitzende. Der Fall habe der 20-Jährigen deutlich vor Augen geführt, wohin so ein Verhalten führen könne, auch wenn man selbst keinen Finger krümme. Marie H. muss 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Sie und die Staatsanwaltschaft nahmen das Urteil an.

Quelle: Prenzlauer Zeitung

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Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier.