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31.01.2007

Letzter Schultag der Leiterin der Grundschule Brüssow

„Wenn es Zeit ist, sollte man loslassen“

Von Monika Strehlow

Brüssow. Vor diesem Tag hatte Gudrun Jost seit langem große Bange: Nach fast 38 Berufsjahren wird die Leiterin der Grundschule Brüssow heute von ihren Kollegen verabschiedet.

Nicht dass sie Angst vor dem Danach hätte. Doch ein Abschied von Herzensdingen ist wohl immer schmerzhaft. Denn die 60-Jährige ist hier eingeschult worden und seitdem – seit 46 Jahren – mit dieser Schule verbunden. „Nur acht Jahre war ich an der Oberschule und im Studium. 1969 kam ich wieder zurück“, erinnert sich die Frau mit den wachen Augen. Eingeschult wurde sie noch im ehemaligen Gutshaus, das bis vor sechs Jahren als Schule fungierte.

Für ihre Mutter sei es eine schwierige Zeit gewesen, die beiden Kinder allein großzuziehen, erinnert sich Gudrun Jost. „So hatte ich früh Verantwortung für meinen kleinen Bruder. Das kam mir später zugute. Es ist gut, schätzen zu können. was man heute hat.“

Im einstigen Gutshaus begann die Diplomlehrerin ihre ersten beruflichen Schritte, unterrichtete Russisch und Geschichte. Es sei eine von vielen bewegenden Perioden gewesen, resümiert Gudrun Jost. Sie gründete eine Familie, die Tochter kam zur Welt…

In den 70er Jahren bildete sie sich zur Französischlehrerin fort, so dass sie nach der Wende – Russisch war nicht mehr gefragt – umsattelte. Dann die Wende: „Die Kollegen haben mir damals zugeredet, die Schulleitung zu übernehmen. Früher hätte ich nie an so etwas gedacht“, erzählt sie und meint dann: „Vielleicht habe ich nicht abgesehen, was da eigentlich auf mich zukommt; doch bereut habe ich diesen Schritt nie.“

Sicher gab es schwere Monate in diesen 16 Jahren, auch privat. „Doch ich hatte Kollegen an der Seite, die mich immer unterstützten. Und ich habe mit den Schulsekretärinnen Ilse Schüßler und Gerlinde Zehm sehr gut zusammengearbeitet.“ Annemarie Eich zum Beispiel schätzt die Besonnenheit ihrer Chefin. „Sie ist eine sehr fähige Lehrerin und konzentriert sich auf das Wesentliche.“

Das Vertrauen zueinander gab wichtigen Rückhalt, auch die Stürme der 90er Jahre zu meistern. So geriet die Brüssower Schule in die Schlagzeilen, als hier ein Film über Rechtsextremismus gedreht worden ist. „Manchmal waren wir auch hilflos“, gesteht Gudrun Jost ein. „Viele unserer Argumente haben nicht gefruchtet.“ Natürlich hätten sich Lehrer und Schüler damit auseinander gesetzt. Doch heute gebe es mehr Möglichkeiten der Hilfe in der Auseinandersetzung mit rechter Gesinnung. „Und heute? Sind aus den jungen Männern von damals ganz normale Bürger geworden.“

Geprägt wurde die Zeit auch durch viele Veränderungen: 1990 gehörte Brüssow noch zu Mecklenburg/Vorpommern, hatte eine Realschule mit Haupt- und Grundschulteil. 1992 dann der Wechsel nach Brandenburg, wo die Einrichtung zur Grundschule wurde. 1997 unterrichteten hier 29 Lehrer, heute sind es noch 9 für 137 Kinder. Als die Schülerzahlen in der Sekundarstufe I Ende der 90er Jahre dramatisch zurückgingen, kam die Diskussion um Erhalt oder Auslagerung nach Klockow. Zur Jahrtausendwende gingen die 7. bis 10. Klassen nach Klockow, während die Grundschüler aus Klockow nach Brüssow kamen. Seitdem werden an der Brüssower „Regenbogenschule“ nur noch Grundschüler unterrichtet. „Die Sekundarstufe abgeben zu müssen, war bitter“, weiß Gudrun Jost. „Viele Brüssower haben die Entscheidung nicht verstanden. Hinzu kam, dass die Kollegen in alle Winde zerstreut wurden. Es gab so manch unruhige Stunde, weil oft sehr spät erst klar war, wer wohin geht.“

Viel lieber berichtet die erfahrene Pädagogin von Schönem. „Gern denke ich an die ersten Klassen zurück, die ich als Klassenleiterin begleitete. Wir treffen uns heute noch.“ Ein schönes Gefühl zu sehen, wie sie sich zu im Leben stehenden Menschen entwickelten. Etliche „ihrer“ Kinder, manchmal sogar die Enkel, besuchen heute die „Regenbogenschule“. Unvergesslich bleiben ihr die vielen Ferienerlebnisse der Vorwende. Oder das Schulfest in den 90er Jahren, nachdem die Modernisierung im Gutshaus abgeschlossen war.

Bis heute prägen Schulfeste und Projekttage Brüssows Schulleben. Sehr aktiv ist der Schulförderverein, vor der Schule entstand ein Naturspielplatz, auch die Arbeitsbedingungen im Schulgebäude am alten Sportplatz verbesserten sich dank der Unterstützung durch die Stadt. „Wir können stolz auf unsere Schule sein“, betont Gudrun Jost. Auch deshalb fällt ihr der Abschied schwer. Dennoch: Sie freut sich auch auf den neuen Abschnitt. Schon lange hatte sie sich mehr Zeit für die Familie, für das Fotografieren, Lesen und Reisen gewünscht. Außerdem, so schmunzelt sie, sollte man, wenn es an der Zeit ist, auch loslassen können.

Quelle: Prenzlauer Zeitung

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Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier.