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17.11.2007

Volkmar Haase

Meister mit unbändiger Schaffenskraft

Von Monika Strehlow

Brüssow. Der Mensch ist sterblich; er weilt nur kurz auf dieser Erde. Manche schaffen es, Spuren zu hinterlassen, die der Nachwelt von ihrem Schaffen und Denken künden. Ob die Skulpturen von Volkmar Haase auch nach ihm noch verstanden werden?

Ganz sicher trägt der große, hagere Mann, dessen Antlitz von Lebensjahren gekerbt ist, ein Stück dieser Hoffnung in sich.

Doch braucht er sie nicht als Motivation. Der Antrieb, immer wieder zu dem kalten, schweren Material zu greifen, sich auch im Alter mit dem ehernen Stoff abzumühen, kommt von tief innen. Lebenserfahrung, ein Stück Abgeklärtheit gehören dazu: „Es kümmert mich nicht mehr, was andere über mich denken.“ Täglich dasselbe Acht-Stunden-Pensum, eingebettet in einen bewährten Tagesrhythmus, gibt ihm eine Struktur, in der er seine Kräfte einteilt. Denn Volkmar Haase weiß, dass auch sein Herz sterblich ist.

Gern erfüllte Pflicht ist ihm die Pflege des Parks, der zum Brüssower Gutshaus – seit mehr als fünf Jahren neue Heimstatt für ihn und seine Frau Ingrid – gehört. Der Geist Volkmar Haases ist lebendig wie eh und je. Immer wieder neue Werke in Hof und Park zeugen von der unbändigen Schaffenskraft des 1930 in Berlin geborenen Künstlers. Gerade endet in Hamburg eine Retrospektive „Volkmar Haase – Skulptur 1956-2006“. Die Galerie Brockstedt, auch in Berlin ansässig, schaut auf fünf Jahrzehnte, so war es dem Galerist wie dem Künstler gleichermaßen ein Vergnügen, gemeinsam ihre Jubiläen zu feiern.

Ein Schlosser steht dem Meister des geformten Stahls in Brüssow zeitweise zur Seite. „Ab und zu hilft mir Christian Weber, denn allein kann ich natürlich nicht alles bewerkstelligen“, sagt Haase in der Werkstatt. Hier erhitzt er mit einem Schweißbrenner gerade ein Halbmeter langes, an einem Ende bereits gebogenes Stück Vierkantstahl, um es formbar machen zu können. Es wird ein Pendant, fünf Mal kleiner als die „Flammende Woge“, die im Frühjahr auf der Landesgartenschau in Bingen gezeigt wird.

Eigentlich wollte Haase Maler werden. Nach der Meisterschule für Kunsthandwerk studierte er 1958 an der Berliner Hochschule für Bildende Künste. Die Malerei ist ihm bis heute nicht nur handwerkliche Basis, Haase bereichert sie durch seinen Focus. Davon zeugen Studien, Radierungen und andere Grafiken, die die Präsentationen seiner Skulpturen in Ausstellungsräumen des Gutshauses komplettieren. Unzählige Kunstwerke auf dem Papier sind so im Laufe der Jahrzehnte entstanden. Im Katalog zur eingangs erwähnten Hamburger Ausstellung bezieht sich Heinz Spielmann auf die Entwicklung der Bildhauerei der 1950er und 60er Jahre, die im Berliner Westen durch eine abstrakt-gegenständliche Sprache geprägt war. Das Lebenswerk Volkmar Haases charakterisiert der Autor „als eine lebendige Fortsetzung dieser Berliner Tradition“. Von Tagesparolen und wechselnden Moden habe sich Haase nicht irritieren lassen. „Er blieb ohne Kompromisse bei seinem Konzept und seinem Modell, ohne sich zu wiederholen“, so das Einführungskapitel des Katalogs.

Wenn auch keine Wiederholung, doch einen Rückgriff leistet sich der Mann. Mit 77 Jahren könne er das, stellt er klar, „wenn es mir aus einer bestimmten Situation heraus notwendig erscheint“. Ein Bildhauer benötige bis zum fertigen Werk lange Zeit und die bewusste Beschäftigung mit einem Thema zeige oft neue Aspekte. Das Wogenthema zum Beispiel: Diese schwingenden, weichen Formen entdeckte Volkmar Haase in den 1990er Jahren für sich, nachdem er zuvor Stahl mit Kanten, Spitzen, Ecken, als Fächer, Säulen formte. Später interpretierte er griechische Mythen wie „Laokoon“ und „Ikarus“. Da deuteten sich schon die weicheren, fließenden Formen der „Wogen“-Varianten an, mit denen sich Haase seit über 15 Jahren auseinandersetzt. Schwingend, im Raum schwebend - harmonisch, nie langweilig. Die „Urform“ zeigte Haase erstmals 1989 in der Spandauer Zitadelle zu einer Ausstellung: die „Aurora“. Bis nach Brüssow nimmt er das Thema mit, wendet sich auch anderen Formen zu, bis er 2005 den „Großen Wogenpfeil“ schafft, den er als bedingtes Ausklingen seines Wogenthemas bezeichnet.

Mit „Die Evokation der Aggression“ setzt Volkmar Haase neue Akzente: geballte Dynamik beherrscht die Skulptur divergierender Bewegungen direkt am Haupteingang des Gutshauses. Vor 40 Jahren hatte der Bildhauer mit dem „Offenen Dreieck“ experimentiert. Nun verbindet er es mit dem Wogenthema – und hat ein neues Bild geschaffen, das der Interpretation der ganzen Menschheitsgeschichte Platz einräumen könnte. Mit „Ich greife wieder alte Themen auf“, verweist er auch auf zwei Plastiken gegenüber, gleich neben der Werkstatt: „Nahe dem Chaos - die Didaktik der Geometrie“ und „Offenes Dreieck 2006/2007“.

Ein wenig bedauernd hat er zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die erste große Neugierde der Mitmenschen in der Uckermark gelegt hat, auch wenn das zum Kunsthaus umfunktionierte Gutshaus Gästen immer offen steht. „Doch gibt es in Brüssow einige, die wirklich Interesse an meiner Kunst haben“. Vor allem in den Dörfern habe er sehr interessante Menschen kennengelernt, die aber zumeist nicht aus der Region stammen. So schmiedet er weiter Stahl und vor allem Pläne. „Das Material für eine neue Plastik ist schon da“, lächelt der Meister verschmitzt und geht wieder in die Werkstatt, wo im Schraubstock die „Flammende Woge“ en miniature auf ihre Vollendung wartet. Das Tagespensum ist noch nicht geschafft.

Quelle: Prenzlauer Zeitung

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Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier.