[home]   [termine]   [news]   [geschichte]   [fantasie]   [sponsoren]   [kontakt]
 


 

 

02.12.2008

In Bagemühl "Zur Linde"

Die Legende vom „Puff“ löst sich bei Freibier auf

Von Thomas Beigang

An clevere polnische Geschäftsleute gewöhnen sich die Einheimischen. Gewinnen können alle.

Bagemühl/Löcknitz. Riesengarnelen für achtfünfzig und die Weinbergschnecken – immerhin acht an der Zahl – kosten gut sechs Euro. Gerichte, die mitten in der Uckermark in dem 120-Seelen-Dörfchen Bagemühl den Geschmacksnerven der hiesigen Landbevölkerung eher fremd sind. Doch in der „Linde“, der Gaststätte des Ortes, stehen derart lukullische Ausreißer auf der Speisekarte.

Zu „verdanken“ haben dies die Bagemühler dem Szczeciner Gastronomen Marian Kazmierczak. Vor zehn Monaten, im Februar, eröffnete der Pole wenige Kilometer unweit der Grenze sein neues Lokal. Vier Jahre lang musste die alte Dorfkneipe geschlossen bleiben, nachdem der alte Besitzer den Zapfhahn dicht machte.

Kazmierczak hat Visionen. Von überall her sollen die Leute zu ihm kommen und genießen. Schon jetzt seien viele Prenzlauer, Brüssower und sogar Berliner unter seinen Gästen. „Ein Fünf-Sterne-Restaurant müsste das werden“, schwärmt der Stettiner, der in der „alten“ Heimat ein japanisches Restaurant und eine Werkskantine sein Eigen nennt. Dort hat er das Geld verdient, das er hier reingesteckt hat. Immerhin – 200 000 Euro will Kazmierczak in Bagemühl investiert haben: „Kein Business ohne Risiko“.

Die Uckermärker blieben misstrauisch. Ein so schickes Lokal, hier in Bagemühl? Das sei garantiert ein Puff, wurde gewispert. Selbst den Stammgästen, die abends oft auf ein Bier kommen und es eigentlich besser wissen müssten, wurde nicht geglaubt. Leicht hatte es der Gastronom nicht zu Beginn. Seine Mitarbeiter – sieben Deutsche hat der Unternehmer in Lohn und Brot – wissen sogar von misstrauischen Müllmännern zu berichten. Besonders akribisch seien die am Straßenrand abgestellten Abfallsäcke der Gaststätte untersucht worden. Ob auch ja der Müll vernünftig getrennt wäre.

Bis im Sommer der Stettiner zu einem Sommerfest einlud – mit Getränken und Bratwurst gratis.

„80 Leute sind gekommen“, erzählt die Kellnerin Monika Stoldt, die jeden Tag aus Strasburg zum Servieren herkommt. Die für Freibier empfänglichen Uckermärker ließen sich überzeugen: Doch kein Puff, sondern eine „anständige“ Gaststätte. Gerade laufen die Vorbereitungen für die „Fete“ eines betagten Pärchens aus der Umgebung: Die diamantene Hochzeit soll hier mit allem Drum und Dran gefeiert werden. Quasi der „Ritterschlag“ für die deutsch-polnische Gaststätte.

Ein Dutzend Kilometer und eine Landesgrenze weiter im vorpommerschen Löcknitz sind Wieslawa Kowalik, ihre Chefin Renata Stachewicz und die anderen Kolleginnen beim Schmücken des „Handelshauses Polonia“. Elektrische Kerzen und Tannengrün sollen die Kunden der Kaufhalle in Weihnachtsstimmung bringen. „Polnische Spezialitäten“ verspricht die Chefin, die im Oktober den Laden aufgemacht hat. Cornelia Winter aus Löcknitz bestellt für sich und ihre Mutter Kaffee und Kuchen und scheint zufrieden: „Da brauchen wir nicht so oft über die Grenze fahren“. Der Service der „neuen Nachbarn“ hat es der Löcknitzerin angetan: „Meine Mutter hat nebenan in einem polnischen Geschäft Gardinen gekauft. Schon nach zwei Stunden waren die fertig geschneidert. Ganz prima.“

Wieslawa Kowalik, die in Löcknitz wohnt, zeigt stolz über die Auslagen „ihres“ Geschäftes. Nur mit den deutschen Bezeichnungen der Schlachterware hapert es noch. Aus „Wiener Wurst“ wird hier „Winner-Wurst“. Aber vielleicht ist dies ja auch Absicht.

Quelle: Uckermark Kurier

zurücknach oben

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier.