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03.03.2009

Kommunen Infotour „Hart-Backboard“

Leben jenseits der klassischen Rollen

Von Claudia Marsal

Brüssow. Der Brüssower Bauunternehmer Wilfried Eich wirkt an diesem Abend ein wenig deplatziert. Da das Publikum fast ausnahmslos in Grobstrick und Birkenstock- Adaptionen erschienen ist, fühlt er sich selbst in Jeans und Pullunder noch „overdressed“. Seine Frau guckt ebenfalls etwas unsicher in die Runde. „Ich habe sie ja auch förmlich überreden müssen“, räumt der Uckermärker freimütig ein. „Aber es war richtig, dass wir hergekommen sind“, zeigt sich der Betriebsinhaber überzeugt. Schließlich lebe man in Brüssow in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Kommune (Feuerland, d. Red.). „Da muss man doch die Chance ergreifen, mal etwas aus dem Alltag dieser Leute zu erfahren.“

Doch so wie Wilfried Eich denken an diesem Abend offenbar nicht viele. Bei ihrer Infotour „Hart-Backboard“ bleiben die Kommunarden im Kino des Ortes fast unter sich. „Wetten dass…“ und „DSDS“ haben am heimatlichen Fernseher offenbar gewonnen. Die Kino-Reihen sind zwar trotzdem recht ordentlich gefühlt, aber Otto-Normalverbraucher sucht man fast vergebens. Das Bild bestimmen Männer mit Wallemähnen und Lederwams, junge Frauen mit Dreedlocks und Familien im Schlabberlook. Leute, die man sowieso sofort in die ökologisch-korrekte und politisch-aktive Ecke stecken würde. Und so verwundert es auch nicht, dass ein Teil von ihnen zu Beginn des Programms zum Sketch auf die improvisierte Bootsbühne stürmt beziehungsweise im Anschluss Rede und Antwort steht zum Leben in einer Kommune.

Wieland Vick beispielsweise erzählt über das Brüssower „Feuerland“, wo zurzeit acht Erwachsene und zwei Kinder auf der Suche nach anderen Lebensformen jenseits von Kleinfamilie, Singledasein und Konsumwahn ein Zuhause gefunden haben.

Erklärtes Ziel der Infotour-Akteure ist es, „Mut zu machen, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen, sich auf Expertimente einzulassen. Wir wollen werben, damit wir wieder mehr Kommunarden werden“. Gemeinsam wolle man dem Konsumterror der globalisierten Welt etwas entgegensetzen, denn der Neoliberalismus beute Mensch und Umwelt aus, führe zu einer Verschwendung von Rohstoffen. „Wir lehnen diese ,Haste was, biste was’-Mentalität ab. Wir wollen etwas ganz anderes, rücksichtsvolles Verhalten zu uns und der Umwelt, ohne Geschlechterdominanz und Hierarchie, jenseits von klassischen Rollen. Wir wollen mit dem Leben nicht aufs Wochenende, bis zum Urlaub oder die Rente warten, sondern jetzt leben“, manifestieren die anwesenden Kommunarden. In der Praxis heißt das Zusammenleben in einem Haus, mehreren Hütten oder Zelten, politisches Einmischen für konstruktive Lebensperspektiven, Leben und Arbeiten mit Kindern und Alten, ökologisch sinnvolles Wirtschaften.

Ihr wirtschaftliche Existenz sichern die Kommunen, die in und aus einem gemeinsamen Topf wirtschaften und alle Entscheidungen im Konsens und nicht über Mehrheiten fällen, in der Regel über Projekte wie Mostereien, Töpfereien, Gärtnereien, Käsereien, Baubetriebe, Nähwerkstätten, Kneipen und Kultureinrichtungen. Einen großen Teil ihrer Zeit und Energie investieren die Kommunen-Bewohner in die Selbstversorgung. Doch auch das „Recht auf Faulheit“ sei verbrieft, aber nach wie vor ein heißes Eisen. @!www.graswurzel.net

Quelle: Prenzlauer Zeitung

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Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier.