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18.04.2012

Handwerk in 4. Generation

Oma ist die Chefin im Haus

von Monika Strehlow

Während in anderen Dörfern traditionelles Handwerk ausstirbt, behauptet sich in Menkin seit 65 Jahren die Tischlerdynastie Küssow. Werner, Rainer und Christian setzen das Erbe von Urgroßvater Wilhelm fort.

Menkin - Das traditionelle Handwerk stirbt in den Dörfern der Region aus. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hatten in den meisten Orten neben Bäcker und Schuster auch Schreiner und Schmied ihr Auskommen. In Menkin gründete der Schreiner Wilhelm Küssow, den es vom pommerschen Greifenhagen in die benachbarte Uckermark verschlug, am 30. April 1947 seine eigene Tischlerei.

Nicht ahnend, dass er eine Familientradition begründen würde, die sich 65 Jahre später noch im Dorf behauptet. Sicher, 1960 brachte er seine kleine Firma in die LPG ein. Doch das Handwerk blieb durch Sohn Werner erhalten. Er setzte die Tradition des Vaters nicht nur fort, sondern pflanzte sie wiederum seinem Sohn Rainer ins Herz, der den Fußstapfen von Großvater und Vater folgend Tischler lernte. Damit nicht genug, besitzen auch die Enkel Christian und Thomas Gesellenbriefe dieses jahrhundertealten Handwerks. Während es Thomas anschließend doch zur Polizei zog, komplettiert heute der 29-jährige Christian das tatkräftige Tischler-Trio Küssow, mit dem das Familienunternehmen in den Nachwendejahren zu neuer Blüte kam.

Natürlich haben sich die Zeiten geändert. Werner Küssow, der trotz seiner 75 Jahre immer noch täglich in der Werkstatt seinen Meister steht, bedauert, dass die handwerkliche Kunst verloren zu gehen droht. Handarbeit wird von modernen Maschinen abgelöst. Von Fenstern über Türen, Tore und Treppen bis hin zu Dachstühlen oder Carport-Spezialanfertigungen reicht heute das Firmenprofil der Küssows. Während sich Dirk Küssow mit einem Küchenhandel mit Montage für Küchen selbstständig machte, setzten

Rainer und Sohn Christian das väterliche Gewerbe fort. „Von der Tischlerei, wie sie früher auf dem Dorf üblich war, kann heute keiner mehr leben“, betont der jüngste Meister in der Familie, Christian.

Die Sammlung an Meisterurkunden, darunter auch die Goldene des Altmeisters, zeugt vom Stolz in der Familie auf ihre Entwicklung. 1991 hatte Rainer die Gunst der Stunde genutzt und mit dem Vater die Tischlerei aus der LPG heraus neu gegründet.

„Ich hatte damals noch nicht den Meister, bin eigentlich Bauzeichner. Bis ich den Brief 1992 in der Tasche hatte, führte Vater die Firma.“

Heute sind der Firmenchef und sein Sohn meist unterwegs, bei Kunden im Umkreis von bis zu 50 Kilometern. Ob die Stadthalle in Torgelow oder das Carport in Templin – die Referenzobjekte können sich sehen lassen. Nach der Wende brummte der Laden; auch heute klagen Küssows nicht über mangelnde Arbeit. Nur als sie 1999/2000 die Werkstatt ausgebaut hatten, spürten sie plötzlich zunehmende Zurückhaltung: Der Euro wurde eingeführt. Dann investierten sie wieder mutiger.

„Dennoch ist vor allem bei den privaten Kunden zu merken, dass gespart wird. Der Cent sitzt nicht mehr so locker“, findet Christian Küssow.

Mit von der Partie in der Firma sind auch seine Mutter Kornelia und Oma Elisabeth. „Sie ist unsere eigentliche Chefin“, scherzt Rainer Küssow. Die Frauen sorgen sich um Akquise und Kundenbetreuung sowie die Lohnabrechnung. In Letzterem ist Elisabeth Küssow firm. Jahrelang war sie schließlich Lohnbuchhalterin auf der LPG.

Und sie sichert das leibliche Wohl aller. Nachmittags um drei Uhr zum Beispiel steht der Kaffee auf dem großen Tisch, um den sich alle, die gerade da sind, versammeln. Dem Raum ist sein historisches Flair nicht anzusehen. Er gehört zu dem einst als Wagen-

remise gebauten Gebäude, in dem Joachim von Winterfeldt einen Kindergarten einrichten ließ. „Hier bin ich noch als Kind behütet worden“, klärt die Seniorin der Familie, eine Ur-Menkinerin, auf. Und es sei das Schlafzimmer seiner Eltern gewesen, ergänzt Werner Küssow. „Hier ist mein Vater auch gestorben.“ So lebt der alte Wilhelm Küssow, der einst als Flüchtling nach Menkin kam, bis heute in seinen Nachfahren fort.

Quelle: Prenzlauer Zeitung

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Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier.