[home]   [termine]   [news]   [geschichte]   [fantasie]   [sponsoren]   [kontakt]
 


 

 

06.07.2012

Kommunen

Stadt unter der Last fremden Erbes

von Monika Strehlow

Wie kann zugelassen werden, dass ein Grundstück seit Jahren verfällt, fragt Günter Bresin mit Blick auf die Nachbarruine. Nicht nur in diesem Fall seien Brüssow die Hände gebunden, meint der Bürgermeister.

Brüssow (ms) Wo Licht ist, fällt auch Schatten. Viele Häuser in Brüssow wurden in den letzten Jahrzehnten hergerichtet oder neu gebaut. Vom „Haus am See“ der Stephanus-Stiftung bis hin zur „Apotheke am Markt“ oder oder der ehemaligen Post sind sie Hingucker in der Stadt. Doch ihr Glanz überstrahlt nicht die Ruinen und leerstehende Objekte.

Beispiel: Karl-Marx-Straße, durch die der Durchgangsverkehr nach Schmölln und zur A 11 geht. „Wie kann es Jahrzehnte nach dem Krieg sein, dass hier nebenan solch ein Schutthaufen über Jahre liegen kann?“, schimpft Günter Bresin aus der Karl-Marx-Straße 6. Er habe sein Haus 1963 gekauft. Auch das war kein Palast. Jahr für Jahr steckte er Kraft und Geschick hinein, damit seine Frau „Mariechen“ und die drei Kinder ein schönes Zuhause hatten. Das sei nicht leicht gewesen, erinnert sich der 86-Jährige. Als Dachdecker in der PGH Löcknitz war er viel auf Montage: in Berlin an der Hochschule in Karlshorst, auf dem Neubrandenburger Flugplatz, in Ahlbeck… Da blieb nur wenig Zeit für die Familie oder das eigene Haus. „Trotzdem haben wir es in Ordnung gehalten und sogar modernisiert“, zeigt er auf die neuen Heizkörper. Im Nachbarhaus wohnte früher ein Frisör. „Damals kostete ein Mal Haareschneiden 80 Pfennig. Der ist bestimmt nicht reich geworden. Aber muss man denn ein Haus trotzdem so verfallen lassen?“, schimpft Günter Bresin.

Bürgermeister Michael Rakow stimmt dem alten Brüssower zu. „Es ist eine Schande, dass wir als Kommune an solchen Zuständen nichts ändern können. Doch die Gesetzlichkeiten binden uns die Hände.“ Das Grundstück befindet sich in Privathand und solange nicht Gefahr in Verzug besteht, kann auch Rakow nichts ändern. Zudem verhindert ein Zaun vor dem zuwchsenden Schutthaufen zumindest, dass Kinder dort Abenteuer suchen. Schräg gegenüber des Bresin-Hauses, rechts neben dem Heimatmuseum, wurde kürzlich die Ruine der alten Adler-Apotheke abgerissen. Der Besitzer lässt dort ein neues Gebäude bauen. Doch neben der Baulücke stehen schon die nächsten zwei Häuser leer, darunter auch das einstige Eiscafé von Lutz Koppermann. Er hatte das Haus verkauft, als er sein Café schloss, und hegt nun die leise Hoffnung, dass die neuen Eigentümer bald aktiv werden.

Ähnlich die Anblicke in der Puschkinstraße. Sie war einst Bestandteil der „via regia“ von Prenzlau nach Stetin, verkündet ein Schild dort, wo einst das Stettiner Tor in der Stadtmauer stand. Doch beim Blick in Richtung Markt zeigt die Straße gar nichts Majestätisches. Das morbide Fachwerkhaus mit der Hausnumer 23 neben dem Supermarkt „Ihre Kette“ kann seine Schwäche hinter dem Umleitungschild zur Autobahn nicht verstecken. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse, heißt es aus der Verwaltung, verhindern jede Entwicklung. In Marktnähe die Puschkinstraße 4 – dabei handelt es sich um zwei Nachbargebäude – sei aus einer Konkursmasse nach Prenzlau verkauft worden. Ebenso wie die verfallenden Häuser am entgegengesetzten Ende, die Puschkinstraße 9, deren Käufer aus Prenzlau komme.

Seit Jahrzehnten stehen sie leer, doch ihr Schicksal ist offensichtlich ungewiss. Ählich ergeht es der Stadt in den Ortsteilen, schildert der Bürgermeister. In Woddow kämpfe man seit Jahren darum, dass mit der eingefallenen Scheune am Schloss etwas passiert. In Frauenhagen bangen die Anwohner einer alten Feldsteinscheune um ihre Sicherheit. Doch der Eigentümer verstarb, die Erben bleiben untätig. „Wir konnten nur notdürftig mit Schildern auf die Gefahr hinweisen. Die halten aber nicht davon ab, das Grundstück zu betreten“, erläutert Rakow.

Und noch ein Beispiel nennt er: den Neubau in Menkin. Der wurde vor Jahren an Berliner verkauft, die den Block „verwalteten“, nicht in Schuss hielten. So zogen die Mieter nach und nach aus. Heute gehört er dem Land Brandenburg. Die Stadt will den Block zurückhaben, um einen Weg zum Abriss zu finden. Landrat Dietmar Schulze habe Unterstützung zugesagt, damit die zuständige Finanzbehörde endlich tätig wird, sagt Rakow. Dazu stehe er nach wie vor, war in der Kreisverwaltung zu erfahren. So bleibt Brüssow wenigstens ein Strohhalm, an den die Stadt sich klammern kann.

Quelle: Prenzlauer Zeitung

zurücknach oben

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nordkurier.